Nach dem dänischen Familientherapeuten Jesper Juul oder dem Schweizer Kinderarzt Remo Largo geht es eigentlich mehr um Beziehung als um Erziehung, weil z.B. ein Baby unbedingte Beziehung braucht, in der Pubertät aber Erziehung an sich zu spät kommt.
Die Verantwortung für die Beziehungsgestaltung hängt dabei immer von den Erwachsenen ab.
Juul hatte die Vorstellung von Eltern als „Leitwölfen“, was eben auch dem Umstand entspricht, dass Kinder am Modell oder Vorbild lernen gemäß ihres Alters, ihrer Entwicklungsstufe und der Entwicklung ihres Gehirns.
Dabei geht es nicht darum, dass Eltern „perfekte“ Eltern sind, sondern dass sie lernen können, dass sie in die Führung gehen müssen, dass Haltung das Verhalten bestimmen sollte, dass sie Vorbilder sind, an denen Kinder lernen und sich orientieren können. Aber Eltern müssen auch lernen, dass Kinder definierte Entwicklungen durchlaufen, die begleitet und durchlaufen werden müssen.
Eltern sollen Kindern helfen können, sich selbst regulieren zu lernen mit Impulsen, Gefühlen, Bedürfnissen. Und dass sich auch alle miteinander entspannen können in einer Welt voller Stress und ständiger Ablenkung.
In vielen Familien, die wir begleiten geht es sehr laut zu, weil keiner dem anderen wirklich zuhört, es an Respekt füreinander fehlt und an Kooperation in einer Familie. Viele Eltern befinden sich im, sich auf die Familie sehr negativ auswirkenden, „Rollenspiel“ good guy-bad guy, statt als Eltern zu kooperieren.
Doch der „erlaubende (permissive) Erziehungsstil“ moderner Eltern, natürlich ausgerichtet an bedürfnisorientierter Erziehung, geht oft mit ständigen und diffusen Schuldgefühlen bei diesen einher, so dass sie einen Anlass sehen, passiv und unsicher zu bleiben und notwendigen (für das Kind oft frustrierenden) Entscheidungen aus dem Weg zu gehen und in der Folge von den Kindern erheblich unter Druck gesetzt werden können.
Umgangsformen und Erziehungsstile werden dabei häufig von anderen Eltern und Familien kopiert, unabhängig davon, welche Folgen das oft hat oder welchen Sinn es ergibt. Jugendliche setzen ihre Eltern damit auch unter Druck.
Viele Eltern wollen unbedingt alles richtig machen, finden aber nicht zu einer konsequenten Haltung und verlieren dabei auch an natürlicher elterlicher und erwachsener Autorität. Viele Eltern glauben auch, dass das Kind schon wüsste, was gut für es sei und überfordern v.a. kleinere Kinder damit.
In den meisten Familien dürfte das Erstellen von Regeln der Normalfall im Alltag sein. Doch fehlt es vielen Eltern an Vorstellungen, was eigentlich Konsequenzen sind, wenn es zum Regelbruch kommt. Meist werden Konsequenzen dann mit Strafen verwechselt und damit entweder unterlassen oder mit Strafen überreagiert, die überhaupt nicht zum Kontext passen. Und Kinder lernen dabei eben auch, dass nichts wirklich Konsequenzen hat.
Häufig erleben sich Eltern selbst als „übergriffig“, wenn sie eine Forderung an das Kind haben, wollen lieber beste Freunde ihrer Kinder sein als Eltern, wollen unbedingt geliebt und anerkannt sein von den Kindern, sich durch Kinder vielleicht selber jung fühlen können. Kinder sind aber keine „gleichberechtigten Partner“.
Von Eltern wird häufig unterschätzt, wie sich die Lebenswelt des Kindes heute zusammensetzt. Da ist außer der Familie und der Schule noch die Peergroup, die nicht nur z.B. aus Schulfreunden besteht, sondern auch aus Influencern im Internet, Social Media Gruppen des Kindes, Videospiele und natürlich Musikstars. Das Smartphone wird immer häufiger zum wichtigsten Stichwortgeber für das Kind.
Dieser Erziehungs- und Beziehungsstil, häufig gekoppelt mit einer Art „Überfürsorge“, gilt heute als eine der wichtigsten Stressquellen in Familien (Stichwort Mental Load), weil das Kind dabei häufig passiv wird und erhebliche Schwierigkeiten in seiner Selbstregulation entwickeln kann, es bleibt also irgendwie abhängig von den Eltern.
Außerdem lässt sich beobachten, dass Kinder dabei unselbständig sind und keine Alltagskompetenzen entwickeln. Sie haben verinnerlicht, dass man ihnen alles abnimmt. Die elterlichen Vorstellungen einer „idealen Kindheit“, die viele Eltern heute auch von Social Media Kanälen oder anderen Eltern übernehmen, führen bei Kindern zu Selbstwertproblemen und haben häufig nichts zu tun mit den vielfältigen Entwicklungsstufen eines Kindes vom Säuglingsstadium bis zur Adoleszenz.
In der Einzel- und Familientherapie erleben wir jetzt auch die erste junge Erwachsenengeneration (Generation Z), die in diesem Stil erzogen und begleitet wurde und die häufig ganz elementare Kompetenzen erst im Erwachsenenleben entwickeln muss.
Jedes vierte Kind in der Grundschule gilt heute als verhaltens- und/oder emotional auffällig (auch ohne pandemische Folgen) oder entwickelt nicht die wichtige Kulturtechnik des Lesens, hat Schwierigkeiten mit Bewegungsabläufen oder befindet sich bereits in einem Stadium von Medienabhängigkeit. Die Inhobhutnahmen durch Jugendämter nehmen ebenso zu wie die psychiatrischen Behandlungen von Kindern, die Gewaltbereitschaft unter männlichen Kindern und Jugendlichen nimmt zu.
Es gibt gute Gründe, gängige Erziehungsvorstellungen kritisch zu hinterfragen und bei Störungen im Familienalltag nach professioneller Hilfe zu suchen.
Kinder, die heute geboren werden, können mit ihrer Lebenserwartung noch zur nächsten Jahrhundertwende leben und werden in einer völlig anderen Welt leben, als wir sie heute kennen. Heutige Eltern müssen bereit sein, sich von konventionellen Lebensplanungen zu lösen und ihren Kindern Möglichkeiten und Kompetenzen zu ermöglichen, die diese in ihrer Lebenswelt später brauchen werden.
In der Erziehungsberatung oder besser im Elterncoaching arbeiten wir nach dem international bekannten wissenschaftlichen Konzept der Neuen Autorität auf der Basis des gewaltfreien Widerstands nach Haim Omer („Stärke statt Macht“, „Das Geheimnis starker Eltern“), bei dem Eltern lernen, erwachsene Präsenz zu entwickeln und zu zeigen, eine Haltung einzunehmen, Bündnisse zu schließen, über die wachsame Sorge einen „sicheren Hafen“ für die Kinder zu schaffen und ohne autoritäre Gewalt ihre natürliche Autorität entwickeln und leben zu können.
Denn: Kinder brauchen erwachsene Erwachsene.
Die Praxis ist offen für alle Formen von Familien.
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